Ich sitze mit meinen Geschwistern mal wieder in der Box in diesem
komischen Gefährt namens Auto. Neben der Box im Kofferraum sind unsere
Mami Aska und Oma Eni. Hanna ist nicht dabei.
Wir sind schon einige Mal so durch die Gegend gefahren, aber heute sagte
Tante Doris etwas von Schulausflug und vielen Kindern und meinem
zukünftigen Frauchen. Ich weiß überhaupt nicht, was sie damit meint. Wir
haben schon einige Ausflüge auf schöne Wiesen unternommen. Dort durften
meine Geschwister und ich herumflitzen und spielen. Einmal waren wir bei
so einer Frau, die heißt Tierärztin. Das war unheimlich, da wurde ich
gepiekst und habe ein bisschen geweint. Aber zum Glück war Mami dabei.
Das beruhigte mich etwas. Wenn ich nicht alleine bin, habe ich weniger
Angst. Ich kann mir erst mal die Lage in Ruhe anschauen, während mein
Bruder Carl und meine Schwester Cindy mutig alles Mögliche
ausprobieren. Wenn es einen sicheren Eindruck macht, kann ich entspannt
hinterhergehen.
Besonders gespannt bin ich ja auf dieses Frauchen. Doris erwähnt das
immer öfter in letzter Zeit. Auch meine Geschwister scheinen ein Frauchen
zu bekommen. Darum bin ich ein wenig aufgeregt. Was man wohl mit so
einem Frauchen anfangen kann?
Kinder kenne ich übrigens schon. Bei uns im Haus wohnen drei und
manchmal kommen welche zu Besuch. Das ist immer besonders spaßig,
weil wir mit ihnen spielen können und gestreichelt werden. Am Ende bin ich
sehr müde und erschöpft und freue mich auf meinen Schlaf. Ich frage mich,
was genau eine Schule ist.
Als die Kofferraumklappe geöffnet wird, sind wir alle aufgeregt. Ich weiß
schon, was jetzt kommt, denn Tante Doris wartet immer, bis wir brav
sitzen, bevor sie die Box öffnet und wir raus gehoben werden. Mami und
Eni dürfen selbst rausspringen. Ich möchte zwar auch mal allein aus der
Box hüpfen, aber das ist so hoch, dass ich mich nicht traue.
Endlich sind meine Geschwister brav und wir sitzen alle nebeneinander am
Rande der Box. Einer nach dem anderen wird auf den Boden gesetzt und
ich kann mich in Ruhe umsehen. Wir sind auf einem Parkplatz. Am Rand ist
ein Zaun und dahinter ist grünes Gras. Das ist gut, denn ich muss eigentlich
mal. Am besten geh ich da direkt hin.
Hinter dem Zaun sind viele Kinder, du liebe Zeit! So viele habe ich noch nie
auf einem Haufen gesehen. Sie scheinen sehr aufgeregt zu sein, aber sie
sitzen brav auf Baumstämmen im Kreis. Die Frau, die dabei ist, kenne ich
bereits. Sie hat uns schon oft besucht, mich gestreichelt und mit mir gespielt.
Ich finde sie nett. Sie ist nicht so hektisch wie viele der anderen Besucher.
Zu ihr bin ich immer gerne gegangen, wenn sie da war. Ein Glück, dass sie
heute auch hier ist.
Typisch, meine Geschwister rasen schon wieder Hals über Kopf durch die
Pforte, nachdem sie sich öffnet. Ich gehe lieber ganz gemütlich hinterher. So
ist es übrigens meistens. Ich schaue erst mal, ob auch nichts passiert. Und
ich beobachte genau, ob Mami und Eni mitkommen und ob sie entspannt
sind. Die Kinder glucksen und quietschen, als sie sehen, wie wir da auf die
Wiese gelaufen kommen. Die Frau ruft sie noch einmal zur Ordnung und
erinnert die Kinder daran, auf jeden Fall sitzen zu bleiben und nicht
herumzulaufen. Meine mutigeren Geschwister Chico, Carl, Cindy und
Clara stürmen direkt auf die Kinder zu und versuchen, bei dem ein oder
anderen Kind auf den Schoß zu krabbeln. Einige rutschen langsam vom
Baumstamm ins Gras, um besser streicheln zu können.
Ich verspüre ein bekanntes Gefühl und das kommt mir sehr gelegen. Ich
kann dem ganzen Trubel noch eine Weile entgehen, indem ich über die
Wiese stapfe und mir eine richtig gute Stelle suche, um ein Häufchen zu
machen. Der Ort dafür muss nämlich genau ausgesucht sein, müsst ihr
wissen. Als ich endlich eine Stelle gefunden habe und mich hinhocke,
lachen Doris und die Frau laut auf. Ich glaube es ja nicht, sie haben sogar
ein Foto von mir geschossen.
„Ihm scheint es hier gut zu gefallen, wenn er das grüne Klassenzimmer so
ungeniert einweiht.“ Ich weiß nicht genau, was Doris damit meint.
Ein Junge ruft über das Lachen und Gemurmel der anderen Kinder hinweg:
„Welcher Hund ist denn nun eigentlich unserer, Frau Brinkmann?“
Die Frau, die offensichtlich Frau Brinkmann heißt, antwortet: „Dieser da, der
gerade das Häufchen gemacht hat. Das ist Pille!“
Sie kommt und sammelt direkt mein Geschäft wieder ein. Frechheit, dabei
hatte ich die Stelle so gut gewählt. Dann hockt sie sich hin und ich laufe
schnell zu ihr, weil ich froh bin, sie wiederzusehen.
„Na, Pille, wie gefällt dir das hier? Darf ich dir die blauen Eulen vorstellen?
Bald darfst du öfter mit in die Schule kommen. Alle freuen sich schon auf
dich!“ Dabei krault sie mir den Hals und ich kuschle mich an sie heran. Ich
glaube, das ist mein Frauchen. Wenn sie dabei ist, trau ich mich bestimmt
auch ohne die Geschwister in die Schule.
Archiv des Autors: Kefa
Ein besonderer Ort
Sie wacht auf und braucht einen Moment, um zu realisieren, wo sie sich befindet. Sie horcht und ist verwundert über diese Stille. Ganz entfernt hört sie einen Vogelruf. Es ist, als brüllt diese Stille in ihren Ohren. Wie kann es so still sein? Angestrengt hält sie die Augen geschlossen, um vielleicht doch noch etwas hören zu können. Als sie sich auf ihrem Bett umdreht, um aus dem Fenster zu schauen, ist das Rascheln der Bettdecke das einzige Geräusch. Und dann setzt ein leises Klopfen ein. Sie lächelt, denn sie weiß, woher das Klopfen kommt. Ihr Hund hat bemerkt, dass sie wach ist und liegt nun wedelnd auf dem Zeltboden. Seine Rute schlägt dabei gleichmäßig gegen eine Kunststoffbox, die in dem geräumigen Zelt steht. Glücklich dreht sie sich zu ihm um und schaut von der hoch gelegenen Matratze zu ihm runter. Als er sie sieht, wird das Klopfen schneller, aber er bleibt flach auf der Seite liegen. Erst als sie langsam von dem Bett auf dem Hänger herunter steigt, dreht er sich auf den Rücken und streckt sich genüsslich. Sie kichert bei dem Anblick, denn er verdreht seine Augen dabei immer so niedlich, damit er sie weiter anschauen kann.
Sie streckt sich ebenfalls. Sie schläft immer so gut in ihrem Zeltanhänger, die Matratze ist hart genug, es ist kuschelig warm und es ist so viel geräumiger als alle ihre Zelte vorher. Die Luft im Zelt ist angenehm frisch, nicht so typisch stickig wie in dem alten Zweimann- Festival-Zelt aus alten Tagen. Sie öffnet den Durchgang zum Vorzelt und es kommt ihr eine leicht feuchte und noch etwas kühlere Luft entgegen. Draußen scheint schon die Sonne, es wird wieder ein herrlicher Tag. Sie lässt ihren Blick durch das Vorzelt schweifen und überlegt kurz, was sie nun als erstes machen soll. Ihr Blick bleibt auf dem Wasserkocher hängen, die Kaffeedose steht daneben auf dem halbhohen Campingregal. Es ist noch Wasser im Kanister. Perfekt. Sie stellt den Kocher an und bereitet das Tablett mit French Press inklusive Kaffee, Becher und Löffel zum Umrühren vor. Als alles bereit liegt, hält sie kurz inne und horcht noch einmal. Sie hört den Wasserkocher leise blubbern, aber am Geräusch erkennt sie, dass er noch einen Moment braucht. Zeit genug, um ein paar der Zeltfenster hochzurollen und Licht reinzulassen.
Während sie draußen steht, spürt sie die schon warme Sonne auf der Haut. Ihr Hund ist ebenfalls aus dem Zelt gekommen und schnüffelt durch das noch leicht feuchte Gras. Sie beobachtet ihn, wie er ins übliche Gebüsch verschwindet, um seine Geschäfte zu erledigen. Wieder einmal freut sie sich darüber, dass er dafür immer ins Unterholz verschwindet. In der schwedischen Wildnis wird das wohl keinen stören. Als er wieder da ist, nimmt sie ihr Tablett mit dem Kaffee und läuft barfuß den schmalen gemähten Weg nach unten zum See. Sie geht an dem roten Holzhaus vorbei, wo scheinbar noch alles ruhig ist. Ihr Hund kennt den Weg und rennt vor. Sie hört seinen Galopp in der Stille ungewöhnlich laut. Er verschwindet aus ihrem Blick und sie hört ihn Schlabbern: er ist am See angekommen und trinkt von dem herrlich klaren Seewasser. Ihr Blick fällt nun auch auf den See, der sich vor ihr weit erstreckt. Es liegen kleine bewaldete Inseln im See und direkt voraus schaut sie auf eine Landzunge. Sie geht auf den Holzsteg und stellt das Tablett auf dem runden Holztisch ab. Die Sonne scheint schon auf den Steg, es ist darum schön warm, obwohl die Luft noch kühl ist. Sie fragt sich, wie spät es wohl ist, aber sie trägt im Urlaub keine Uhr. Auch am Sonnenstand kann sie es hier nicht abschätzen, da hier die Sonne viel früher aufgeht als Zuhause. Sowieso ist hier alles anders, viel langsamer, entspannter, gelassener, ruhiger.
Sie setzt sich auf den Holzstuhl und schaut auf den See. Man hört das Wasser leise plätschern. Ihr Hund legt sich vorne an den Steg und schaut ebenfalls aufmerksam über
das Wasser. Man kann an seinen Ohren sehen, das auch er jedes kleinste Geräusch in diesem Meer der Stille aufnimmt.
Neues Jahr – neuer Lebensabschnitt
Quasi ein Jahr nach meinem erneuten beruflichen Ausfall war es ja nun so weit. Ich bin Frühpensionärin und in den letzten Wochen musste ich das erstmal realisieren. So langsam stellt sich aber dann doch ein neues Lebensgefühl ein. Alleine die Tatsache, dass ich jetzt nicht mehr dauerhaft krankgeschrieben bin und regelmäßig zum Arzt rennen muss, um mich darüber auszutauschen, warum ich wohl immer noch nichts von der Behörde gehört habe, ist eine große Erleichterung.
Jetzt habe ich endlich meinen Kopf frei für die Zukunft und beginne zu planen, wie es nun eigentlich weitergehen soll. In meinem Fernstudium zur Autorin fließen die Texte geradezu aus mir heraus, so dass ich den Rückstand vom letzten Jahr schnell aufhole. Die damalige Ungewissheit, wie es weiter geht und auch zwei Haushaltsentrümpelungen / Umzüge meiner Eltern hatten mich leicht zurückgeworfen. Ich erprobe außerdem gerade, wo und wie ich am besten schrieben kann.
Zu welchen Tageszeiten bin ich fit, konzentriert und vor allem motiviert?
Wo habe ich am wenigsten Ablenkung?
Wie schaffe ich mir trotz aller Freiheiten einen geregelten „Arbeitstag“.
Wie lässt sich die Streamerei darin integrieren, so dass sie vielleicht auch ein kleines Standbein wird, ohne dass mir der Stress aufs Gemüt schlägt.
Wo kann ich meine Texte vielleicht schon mal veröffentlichen?
Will das überhaupt jemand lesen?
Wie funktioniert das jetzt mit dem Einzelgewerbe und was muss ich da alles beachten?
Und dann stelle ich plötzlich fest, dass ich ja nun auch völlig neue Optionen habe. Ich habe Zeit, die ich mir völlig frei einteilen kann. Ich kann also auch einfach mal rausfahren und ein paar Tage völlig unabhängig von irgendwelchen Urlaubszeiten mit den Bagaluten in die Natur abdampfen. Und das brachte mich zu meinem nächsten Projekt: einem Camper. Denn da ich den geliebten Klappi nie und nimmer alleine aufbauen kann, wäre so ein kleiner Camper für mich eine ideale Lösung, um mit den drei Hunden mal spontan eine mehrtägige Tour zu machen. Schreiben kann ich nämlich überall, je nach Laune in der Natur oder in der Stadt.
Und vieles von dem, was dabei heraus kommt, werde ich erstmal hier veröffentlichen, denn das ist eine gute Möglichkeit, den Blog wieder etwas zu beleben. Ich hoffe, es folgen also bald kleine Reiseberichte. Ich freue mich natürlich über konstruktive Kritik zu den Texten, die ich unter einer eigenen Kategorie einstellen werde.
Zu guter Letzt beschäftige ich mich gerade mit dem Thema Besuchshund / Ehrenamt. Denn da die Hunde und ich momentan nicht mehr in der Schule arbeiten können, ich aber die Arbeit mit den Hunden so wertvoll finde, habe ich angefangen, mit ihnen in Senioreneinrichtungen zu gehen. Für mich ist das mit viel weniger Stress verbunden, den Senioren bedeutet das aber so viel. Ich bin jetzt noch auf der Suche nach Weiterbildungsmöglichkeiten, weil der Besuch bei Senioren etwas ganz anderes ist als der Besuch in einer Grundschulklasse, insbesondere, wenn man beispielsweise auf der Demenzstation ist.
Ihr seht also, ich langweile mich nicht. Das Tolle ist, dass ich all das trotz immer noch vorhandener schwieriger Phasen schaffen kann, da ich keine festen Arbeitszeiten habe. Ich kann mir das alles je nach aktuellem Zustand selber einteilen.
Man lernt nie aus
Da sitz ich nun und warte darauf, dass ich das offizielle Schreiben zur Versetzung in die Frühpension bekomme. Ich hätte es mir nie träumen lassen, dass ich mit Mitte 40 schon nicht mehr arbeitsfähig/dienstfähig bin. Es ist nicht ganz leicht zu akzeptieren und die letzten Monate hatte ich damit durchaus zu kämpfen. Trotz aller Ängste und Befürchtungen, wie es nun weitergehen soll, hat sich allerdings die Erkenntnis, dass ich nicht mehr in meinem Beruf arbeiten kann, wie ein Befreiungsschlag angefühlt. Irgendwann kam auch in meinem Hirn nach 7 Jahren Depressionen an, was meine Ärzte schon seit einiger Zeit immer mal wieder angesprochen haben.
Sind Sie sicher, dass Sie noch in Ihren Beruf zurück können?
Aus meiner Unsicherheit, ob ich es nicht doch noch schaffen könnte, müsste oder sollte ist eine Sicherheit geworden. Die Arbeitsbedingungen sind momentan und auf absehbare Zeit unverändert gesundheitsschädigend. Nach diversen Wiedereingliederungsplänen und Absprachen bzgl. geregelten Arbeitszeiten und einem verlässlichen Schulalltag stellte ich einfach immer wieder nur fest: Man kann sich auf nichts verlassen, man betreibt Schadensbegrenzung wo es geht und legt sich eine dicke Haut oder Ignoranz für alles zu, was eben nicht geht. Man investiert viel Kraft darin, sich selbst arbeitsfähig zu halten, damit man weitestgehend funktioniert und seinen Job zumindest oberflächlich betrachtet einigermaßen erledigen kann.
Ich glaube, wenn absehbar wäre, dass sich die Situation demnächst wieder verbessert, würde ich sogar noch mal einen Versuch wagen, ganz in der Hoffnung, dass ich es irgendwann wieder vom Zahnfleisch runterschaffe. Aber ich denke eben nicht, dass sich etwas bessert, ich befürchte sogar eher noch, dass sich die Lage an den Schulen zuspitzen wird. Ich sehe nicht, dass ich mich bis zum regulären Ruhestand in einem akzeptablen Gesundheitszustand da durchwurschteln kann, geschweige denn will ich das. Glücklicherweise sehen das meine betreuenden Ärzte allesamt genauso und somit ergab auch das Gespräch mit der Amtsärztin ein entsprechendes Gutachten.
Doch da sitz ich nun mit meiner Zeit. Die letzten Monate (seit Januar 2024) wartete ich erstmal, dass nach meinem Antrag auf erneute Überprüfung der Dienstfähigkeit die entsprechenden Dinge in die Wege geleitet werden. Es brauchte ganze 6 Monate, bis ich eine Reaktion von behördlicher Seite bekam. Insgesamt also inzwischen 11 Monate der Unsicherheit, was nun genau passieren würde und was das finanziell eigentlich bedeutet. Aber trotz dieser Unsicherheit war ich mir (endlich) klar, DAS ist der Weg.
Seitdem war ich nicht mehr „krank“. Ich setze das deshalb in Anführungszeichen, weil ich damit Erkältung und Co. meine. Depressive Phasen, in denen es mir schlecht geht, sind immer noch meine regelmäßigen Begleiter, allerdings kann ich sie viel besser und vor allem schneller bewältigen. Außerdem war ich gut abgelenkt und beschäftigt durch die Umzüge meiner Eltern in meine Nähe und die damit verbundenen Haushaltsauflösungen. Das hat mir vor allem gezeigt, dass ich doch noch in einer gewissen Form belastbar bin und aktiv sein kann.
Was machst Du jetzt den ganzen Tag bloß?
Ich kann mich auf meine Gesundheit und wieder auf meine Weiterbildung konzentrieren. Denn ich habe nicht vor, jetzt die Füße hochzulegen, das wäre fatal.
Ich strukturiere und reflektiere meine Tage, bin dabei achtsam, meditiere, lege mich auf meine Shakti Matte, gehe in die Sauna, genieße die Zeit mit den Tieren und pass auf mich auf.
Außerdem mache ich ein Fernstudium zur Kinder- und Jugendbuchautorin, bin Zuchtrichter-Anwärterin bei der ERU Canis Gemeinschaft und gehe ehrenamtlich mit den Hunden in Senioreneinrichtungen zu Besuch.
Und ich schreibe endlich wieder regelmäßig, hoffentlich dann auch öfter hier im Blog.
Buchtipp
Nun hab ich doch tatsächlich das Bloggen schon wieder leicht schleifen lassen, sowas aber auch. Allerdings war ich tatsächlich leicht abgelenkt durch so schöne Dinge wie Magendarm und gleich hinterher endlich mal Corona. Da kommt Freude auf.
Ich wollte nämlich eigentlich schon längst mal von zwei Büchern berichten, die ich mir während meines Klinikaufenthaltes gekauft habe. Dort gab es im Ort nämlich einen niedlichen Bücherladen mit viel passender Literatur für die Patienten. 😉
Das sind zwei Bilderbücher, eines für den Betroffenen selbst („Mein schwarzer Hund“) und eines für die Angehörigen und Freunde oder Bekannte des Betroffenen („Mit dem schwarzen Hund leben“).
Ich finde die Illustrationen sind so schön passend und zeigen ohne viele Worte, wie es einem geht, wenn man unter Depressionen leidet. Ich habe sie mit Verwandten und Freunden bereits mehrfach angeschaut und sie bieten eine wunderbare Unterstützung bei einem Gespräch darüber, was mit einem los ist. Sie helfen einem, zu sagen, wofür einem manchmal die Worte fehlen. Und auch Angehörige finden darin Situationen, die sie wahrscheinlich gut kennen und es erleichtert einem vielleicht, sie zu verstehen.
Wer gerne einen Einblick erhalten möchte, kann sich das erste Buch tatsächlich auch bei Youtube anschauen, allerdings finde ich persönlich, dass der Leser zu schnell liest und die Seiten nicht lange genug gezeigt werden. Ich brauche beim Anschauen mehr Zeit, um meine Gedanken zu sortieren. Aber so kann man einen Eindruck vom Buch gewinnen. Es lohnt sich der Kauf sowieso, wenn man in privater Runde über das Thema sprechen will, dann hat jeder so viel Zeit, wie er braucht, um sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Bei uns stehen sie momentan immer auf kleinen Bücherständern im Wohnzimmer und wenn es mir mal wieder nicht gut geht, schau ich selber auch noch mal rein.
Ich hoffe jedenfalls, ihr kommt alle positiv gestimmt im neuen Jahr an. Ich für meinen Teil bin jedenfalls sehr gespannt auf 2024, denn ich hab so einiges vor. Zum Beispiel auch, öfter mal was zu schreiben.
Bleibt schön gesund und einen guten Rutsch!
Du kannst mich nicht verletzen!
Wahrscheinlich denkst du jetzt sofort, dass das doch Quatsch ist. Jeder hat schon einmal jemanden verletzt oder wurde von jemandem verletzt. Und dennoch kamen wir in einem unserer Gruppentherapieterminen auf genau diesen Satz. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie wir dahin kamen. Wir haben wieder eines unserer Bilder besprochen, die wir in der Maltherapie regelmäßig erstellt haben. Und plötzlich sagte der Therapeut diesen einen Satz und ließ ihn im Raum stehen. „Man kann Andere nicht verletzen!“.
Nach einigen leisen „Protestschnaubern“ einiger Patienten und einer darauf folgenden Stille hallte der Satz erstmal eine Weile in unseren Köpfen nach. Irgendwann traute sich eine Patientin, die Stille zu durchbrechen und ihren Protest zu formulieren.
Aber fangen wir mal vorne an. Wir hatten ja schon das Thema, dass man manchmal in einer bestimmten Art und Weise handelt, weil man möchte, dass sein Gegenüber positiv über einen denkt und dafür seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund rückt. Ähnlich ist es ja, wenn man die Befürchtung hat, man könnte einen Anderen verletzen, wenn man in einer bestimmten Art und Weise handelt. Absagen sind da ein ganz schönes Beispiel für. Man sagt lieber, man habe keine Zeit, als den wahren Grund („Ich möchte das nicht mit dir unternehmen!“ / „Ich habe keine Lust!“) zu nennen. Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die sich schnell verletzt fühlen, einfach nur, weil man ihnen eine Absage erteilt. Das Wort „nein“ ist sowohl schwer auszusprechen als auch schwer zu ertragen.
Und dann gibt es da noch das Problem mit den einfachen Beschreibungen von Beobachtungen. „Dort hinten sitzt ein übergewichtiger, kleiner Mann“ ist wohl eine gute Beschreibung, wenn man von Ferne einen bestimmten Herren in einer Menge beschreiben will. Aber sag es bloß nicht, wenn er es hören kann. Es wird ihn sicherlich verletzen… Wo hört denn eine Tatsachenbeschreibung auf und fängt eine Beleidigung an? Wo endet die Höflichkeit? Kann ich mich dann einfach wie die Axt im Walde benehmen und ein ruhiges Gewissen haben, weil ich „ja eh keinen verletzen kann“?
Wie jetzt?!
Wir versuchen es also zu verstehen. Eine betroffene Person ist natürlich unter Umständen verletzt. Allerdings verletzt diese Person sich selbst. Denn nur, wenn die betroffene Person das Gefühl hat, dass der vermeintlich „Verletzende“ recht hat oder sie eben genau das Angesprochene ebenfalls als Makel oder Unzulänglichkeit sieht. Wenn diese Person nun aber ein positives Selbstbild hat und mit sich zufrieden ist, sich vollständig angenommen hat, dann wird diese „verletzende Satz“ ihr wahrscheinlich nur ein müdes Schulterzucken entlocken.
In unserer Gruppendiskussion schlug unser Therapeut uns vor, dass wir versuchen sollten, ihn zu verletzen. Er ermunterte uns, nun mal richtig einen rauszuhauen, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Axt im Walde, bitte sehr. Zögerlich gab es ein paar klägliche Versuche, allerdings sahen wir schnell ein, man konnte ihn nicht aus der Reserve locken. Wir kannten ihn nicht gut genug und konnten uns eh nur auf Äußerlichkeiten beziehen. Würde er mit seinem Äußeren unzufrieden sein, wäre er eventuell verletzt. Er ist jedoch mit sich zufrieden und nimmt sich so an, wie er ist. „Lass die man reden, die haben ja eh keine Ahnung.“ Es liegt also in seiner Hand, ob wir bei unseren kläglichen und oberflächlichen Versuchen erfolgreich sind oder scheitern.
Letztendlich ist das mit tiefergehenden Dingen nicht anders. Nur dass man natürlich dem anderen nicht in den Kopf gucken kann. Wenn man innerlich mit etwas hadert, ein geringes Selbstwertgefühl hat und generell nicht viel von sich hält, dann bestätigt einen jede unbedachte Bemerkung von Außenstehenden, ohne dass diese das vielleicht ahnen. „Siehste, die denken auch, du kannst nix und bist nix wert!“ Da sind wir wieder bei dem Wert, den man sowieso in keiner Währung messen kann. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: wenn du mit dir selbst zufrieden bist, hinter deinen Entscheidungen stehst und davon überzeugt bist, dass du das Richtige (für dich bzw. deiner Meinung nach) tust, dann sollte dich auch jede noch so unbedachte Bemerkung von Anderen kalt lassen. Du musst sie dann nicht persönlich nehmen und erst recht können sie dich nicht verletzen. Und es geht sogar noch weiter. Wenn du so handelst, dann könnte es sein, dass du auf einmal weniger Rücksicht auf Andere nimmst. Einfach, weil du auf deine Bedürfnisse hörst und nicht darüber nachdenkst, ob das eigentlich irgendeinem Anderen nicht passen könnte. Du gehst deinen Weg, und wenn jemand damit ein Problem hat, dann ist das ein PaL, ein Problem anderer Leute.
Und jetzt?
Aber ist das nicht emotionslos und kalt? Sollte man nicht etwas Empathie empfinden? Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder so egoistisch verhalten würde?
Ja, wo kämen wir da hin?!
Ich denke, dass wir dann viel objektiver und emotionsloser über viele Dinge sprechen könnten, ohne dass sich der Eine oder die Andere gleich auf den Schlips getreten fühlt. Denn dieses Vorgehen bedeutet eben NICHT, dass man auf einmal die Axt im Walde ist. Es bedeutet schon, dass man sich darüber Gedanken machen sollte, ob man diesen oder jenen Weg einschlagen will und um welchen Preis. Und es bedeutet, das man seine Bedürfnisse formulieren darf, ohne dafür verurteilt zu werden.
Und wenn sich noch jemand fragt, was der Therapeut wohl zu folgendem Beispiel sagen würde: Ich weiß von einer Unsicherheit einer Person, weil ich sie gut kenne und mache absichtlich eine Bemerkung in der Richtung; mit dem Ziel, die Person zu verletzen. Dann würde er darauf sinngemäß antworteten: „Das ändert an dem Ganzen nichts, außer, dass Sie wohl ein Arschloch sind!“
Was andere von mir denken, geht mich nichts an!
Das ist so ein einfacher Satz und es ist super schwer, ihn so richtig klar zu kriegen und ihn dann auch „umzusetzen“.
Sind wir nicht alle so geprägt, dass es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die sich einfach gehören? Möchte man nicht schon als Kind, also von Anfang an, gefallen? Man freut sich über jedes Lob, man gefällt gerne. Positive Verstärkung kennt man aus der Schule und auch aus der Hundeschule bzw. Tierpädagogik. Zeige ein gewünschtes Verhalten und ich belohne dich. In gewisser Weise bewerte ich damit das positive oder gewünschte Verhalten und signalisiere dir, dass du etwas wert bist. Keine guten Noten? Sorry, dann gibt es auch nichts. Nichts von Wert jedenfalls. Vielleicht einen mitleidigen Blick oder Nachhilfestunden.
Diese Prägung kann einem ganz schön das Genick brechen. Dann nämlich, wenn wir anfangen zu denken, dass wir eigentlich gar nichts mehr wert sind, wenn wir nicht Hervorragendes leisten. Als ich in meiner Therapie gefragt wurde, ob ich denken würde, dass alle Menschen gleich sind bzw. wann ein Mensch eigentlich was wert ist, da habe ich mich über diese Fragen gewundert und schon fast reflexhaft geantwortet, dass NATÜRLICH alle gleich sind. Was auch sonst?!
Leider kam ich aus der Nummer nicht so einfach raus und es wurde etwas weiter gebohrt und tiefer gegraben. Ich musste mir eingestehen, dass ich tief in meinem Inneren nicht daran glaubte. Ich weiß noch, dass ich in dem Moment, als mir das bewusst wurde, losgeheult hab. Und auch, als mir mein Verstand sagte, dass mein Wert nicht davon abhängt, was ich tue oder lasse, so brauchte ich doch noch eine weitere Therapie und viele Übungen und Gespräche, um das auch wirklich zu verstehen und zu glauben. Mein Wert ist unabhängig von dem was ich tue.
Wieso fiel es mir so schwer, diesen Gedanken zu verinnerlichen?! Ich denke, das größte Problem ist, dass mir wichtig war/ist, was andere denken. Ich schreibe „war/ist“, weil ich es immer noch nicht ganz ablegen kann. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich das Gefühl habe, ich müsste mich so oder so verhalten, es geht mir dabei aber nicht gut. Ich habe gelernt, dass man da „eben durch muss, das ist ja schließlich kein Beinbruch und man kann sich ja bitteschön auch einfach mal zusammenreißen“. Kennt ihr das? Aber warum eigentlich soll ich meine eigenen Bedürfnisse hintenan stellen, wenn sie mir ganz klar signalisieren, dass es zu weit geht?
Das Problem mit der Depression ist, dass man seine eigenen Bedürfnisse so weit nach hinten schiebt, dass man irgendwann gar nicht mehr weiß, dass man welche hat. Man muss erstmal mühsam wieder lernen zu bemerken, was man fühlt und was man gerne möchte. Denn eigentlich will man ja nichts mehr, außer vielleicht noch, dass alles ein Ende hat. Umso schwieriger ist es dann, diesen Bedürfnissen wieder Gehör zu verschaffen und, entgegen allen Erwartungen und Vorstellungen Anderer zu handeln.
Immer wenn ich vor solchen Problemstellungen stand, fragte mich meine Therapeutin: „Was wäre denn das Schlimmste daran, wenn Sie jetzt so handeln?“ Was wäre das Schlimmste? Immer wieder stellte sie diese Frage. Und zwar nach jeder Antwort, die ich gegeben hab. Und siehe da, am Ende landete ich immer wieder bei meinem Problem: der Andere denkt was Schlechtes über mich. Und dann? Was wäre das Schlimmste daran? Ja, was ist denn dann eigentlich, wenn derjenige was über mich denkt? Was ändert das eigentlich? Wendet der sich ab von mir? Wie schlimm ist das denn? Was hat es für Konsequenzen?! Möchte man mit so einer Person engen Kontakt haben? Ist es eigentlich nicht eher sein Problem, wenn er das nicht versteht oder negativ bewertet? Wenn es doch nach eigener Auffassung das Beste für mich ist? Warum glaube ich ihm mehr als mir selbst? Oder noch schlimmer: womöglich denkt er gar nicht so, wie ich es ihm unterjubel, ich rede mir das nur ein…
Seitdem versuche ich immer zu entscheiden, was für mich gut ist und danach zu handeln. Ich versuche, auf meine Gefühle und Bedürfnisse zu hören und nach MEINEN Werten zu handeln, nicht nach denen von jemand anderem. Das kann natürlich manchmal ganz schön unbequem sein und man muss erstmal lernen, ehrlich zu sein und das auch nach außen hin offen zu kommunizieren. „Nein, ich komme nicht zu deiner Babyparty, weil ich dieses amerikanische Gehampel unerträglich finde“ ist beispielsweise keine sehr diplomatische Rückmeldung zu einer solchen Einladung. Aber auch das kann man lernen und da kommt direkt ein Buchtipp zum Abschluss:
Am Arsch vorbei geht auch ein Weg
Alexandra Reinwarth
Der Mann bringt Blumen mit nach Hause
Nicht alles, was du denkst, ist wahr. Das ist auch eine Lektion, die ich gelernt habe und immer noch immer wieder aufs Neue lerne. Wie oft hat man eine bestimmte Vorstellung von einem Sachverhalt, von Reaktionen von Anderen oder von Beweggründen Anderer. Und wie oft liegt man falsch?!
Du darfst nicht alles glauben, was du denkst
Kurt Krömer (Buchtipp)
Um sich das bewusst zu machen, kann man ein ganz einfaches Gedankenspiel machen. Das schöne Beispiel „Der Mann/Freund/Lebensabschnittspartner kommt nach Hause und bringt Blumen mit“ kann bei unterschiedlichen Leuten ganz unterschiedliche Gedanken hervorrufen. Wenn du mitmachen möchtest, überlege dir JETZT, BEVOR du weiter liest, was du dir dabei denkst. Formuliere eben kurz gedanklich aus, was du denken würdest, warum er das macht. Und, damit auch andere Leser:innen was davon haben, schreib es sehr gerne nachher auch in die Kommentare, was du dir gedacht hast.
Im weiteren Beitrag spreche ich von dem Beispiel „Mann bringt Blumen mit, Frau reagiert.“ Das Ganze funktioniert natürlich ganz genauso für zwei Frauen oder zwei Männer in einer Partnerschaft, der Einfachheit halber schreibe ich aber immer nur von der Konstellation, die für mich passend ist.
Was könnte das also bedeuten?!
- Er möchte mir eine Freude machen
- Er hat was angestellt
- Er will sich entschuldigen
- Er will was von mir
- Er hat sie sich selbst mitgebracht
- Sie sind für jemand anderen
- …
Fallen euch noch andere Dinge ein?
Woran liegt das also, dass man sich so unterschiedliche Dinge dabei denken kann? Die Tatsache alleine, der Mann bringt Blumen mit, ist einfach nur das, was es ist: eine wertfreie Beschreibung der Situation. Wir bringen durch unsere persönlichen Wertvorstellungen und Erfahrungen die Bewertung hinzu. Und je nachdem, wie wir sie bewerten, wird die Situation plötzlich evtl. positiv oder negativ. Das kann dann, wenn die Bewertungen nicht deckungsgleich sind, zu äußerst schwierigen Situationen führen: Der Mann hat sich selber Blumen mitgebracht, die Frau denkt, er hat was angestellt und Misstrauen und Eifersucht werden größer.
Um Missverständnissen vorzubeugen macht es also Sinn, ggf. mal nach den Beweggründen zu fragen, also einfach drüber zu sprechen. Interessanterweise würde das Beispiel „die Frau bringt Blumen mit, der Mann reagiert“ eine ganz andere Verteilung der verschiedenen Bewertungen ergeben, einfach weil unsere Rollenvorstellungen entsprechend geprägt sind. Die meisten würden wahrscheinlich denken, die Frau bringt sich natürlich selbst Blumen mit, die wenigsten würden denken, sie müsste sich entschuldigen oder will dem Mann eine Freude machen.
Und zu guter Letzt, denn warum soll ich alleine darunter leiden: Mein Mann bringt mir keine Blumen mit und findet es auch nicht schön, wenn ich mir Blumen für die Wohnung kaufe. Denn er findet es belastend, wenn er den Blumen beim Sterben zugucken muss. Und genau das ist es, was man tut. Man gibt Geld aus, um Blumen dann beim Sterben zuzugucken. Als er mir das eröffnete, war ich richtig sauer, dass er mir den Blumenkauf so „vermieste“. Aber wenn man genau drüber nachdenkt, ist das einfach eine Beschreibung der Situation. Und jedes Mal, wenn ich mir jetzt Blumen kaufen möchte, wäge ich ab, ob ich das wirklich will oder ob ich mir doch lieber eine Pflanze kaufe, die bei mir weiterleben kann. Ich kaufe oder pflücke viel weniger Sträuße und kümmere mich besser um meine Zimmerpflanzen.
Völlig verrückt!
Es gibt so Leute, die schauen Anderen beim Computerspielen zu…
eine Kollegin
Fassungslos erzählte mir eine Kollegin davon, dass ihr Sohn ja dauernd im Internet so Filme oder sowas schaut. Stundenlang sitzt er da und – man stelle sich vor – er guckt einer anderen Person beim Spielen irgendwelcher Computerspiele zu. Das ist ja total verrückt, er guckt anderen BEIM SPIELEN zu. Nicht mal mehr selber spielen kann er…
Ich habe das in dem Moment tatsächlich ein wenig ratlos und schulterzuckend zur Kenntnis genommen und weitestgehend unkommentiert gelassen. Zum Einen war ich in dem Moment nicht in der Verfassung, darüber gelassen zu sprechen und zum Anderen meldete sich sofort bei mir die alte innere Stimme, die mir bereits seit vielen Jahren sagte: „Du zockst immer viel zu lang! Kannst du nicht mal was Sinnvolles machen? Das hat doch alles keinen Wert! Erzähl das bloß keinem, wahrscheinlich bist du sowieso schon zocksüchtig. Normal ist das auf jeden Fall nicht!!!“
Als ich meinem Mann abends davon erzählte, auch wie skuril ich diese Situation (und das, was währenddessen in meinem Kopf vor sich ging) fand, meinte er nur trocken: „Komisch, wenn alle Welt 22 schwitzenden Männern dabei zuguckt, wie sie 90 Minuten lang versuchen einen Ball in eines von zwei Toren zu bekommen, wundert sich keiner. Dabei könnten die auch alle selber Fußball spielen.“
Ich musste laut auflachen und mir wurde klar, wie recht er hat. Man muss sich einfach immer wieder vor Augen führen, dass es anderen Leuten eigentlich völlig egal sein kann, womit man seine Freizeit verbrennt. Das können die andern so komisch finden wie sie wollen. Letztendlich geht es mich nichts an, was sie über mich denken und es sollte mir auch egal sein. Ich verurteile Leute, die sich Fußballspiele (oder sonst was) im Fernsehen anschauen auch nicht, weil sie nichts Sinnvolleres mit ihrer Zeit anfangen. Steht mir auch gar nicht zu. Solange sie mich damit nicht belästigen, dürfen sie damit glücklich werden.
Warum fällt es mir so schwer?
Seit ich Zugang zu einem PC habe, spiele ich für mein Leben gerne Computerspiele. Davor (und natürlich auch danach) habe ich viel Gesellschaftsspiele gespielt und überhaupt war das Spielen immer sehr wichtig! Und es gab und gibt Zeiten, in denen ich mich in Computerspielen verkrieche. Eskapismus nennt man das wohl. Realitätsflucht. Und genau das ist es. Das kann ich übrigens genauso gut mit einem Buch, einem Film oder einer Serie. Abtauchen in eine andere Welt, die Realität vergessen oder ausblenden. Ich finde das wichtig, damit man davon einmal Abstand gewinnt und nicht völlig am Rad dreht. Denn die Realität ist oftmals nicht wirklich auszuhalten, wenn man ernsthaft darüber nachdenkt.
Aber zurück zu meinem Problem damit. Im Laufe meiner Therapie kamen wir natürlich auf das Thema Spielen und auch die Flucht ins Spielen. Letztendlich kamen wir zu dem Schluss, dass keine Sucht vorliegt, da ich mein Leben noch grundsätzlich auf die Reihe bekomme. Mein Problem bestand eher darin, dass ich tief im Inneren mir selbst Vorwürfe machte, dass ich meine Zeit sinnlos vergeude. Und auch wenn ich diese Stimme für einige Zeit ausblenden konnte, so kam sie mit voller Wucht zurück und verursachte in mir ein derartig schlechtes Gewissen, dass ich nun SCHON WIEDER nichts Sinnvolles mit meiner kostbaren Lebenszeit angefangen habe, dass ich die letzten Stunden spielen nicht als Erholung sondern als Belastung und Enttäuschung empfand. Und das war letztendlich auch der Grund, warum ich quasi nie darüber sprach, dass das eins meiner Hobbies ist. Ich hatte und habe immer noch zwei unterschiedliche Arten von Freunden. Die eine Gruppe weiß das einfach nicht von mir und würde das (wahrscheinlich) auch nicht verstehen.
Was würde denn passieren, wenn Sie offen kommunizieren würden, dass Sie Computerspiele spielen?
Therapeutin
Ja, was eigentlich?!
- Mein Gegenüber würde das nicht verstehen? („Ja und? Muss er das? Können Sie es nicht vielleicht erklären?“)
- Mein Gegenüber könnte denken, ich wäre süchtig. („Ja und? Sie wissen es doch besser. Was kümmert Sie das?“)
- Mein Gegenüber würde mich meiden. („Ja und? Möchten Sie gerne engen Kontakt mit so einer Person pflegen?“)
- diverse weitere Alternativen kommen einem da noch in den Sinn, aber letztendlich bleibt immer wieder die Frage nach dem Realitätscheck übrig: Und wie schlimm wäre das wirklich?
Und die Antwort lautet: „Nicht schlimm.“ Es passiert mir nichts, wenn ich offen damit umgehe. Ja, es gibt evtl. Konfrontationen, weil jemand das komisch findet. Doch für mich ist das nur eine weitere Gelassenheitsübung. Dann findet er das eben komisch. Es geht mich nichts an, was er findet, er kann das so finden.
Aufgabe zum nächsten Termin
Kommunizieren Sie offen bei sich bietenden Gelegenheiten, dass eines ihrer Hobbies Computerspiele sind.
Therapeutin
Und als ich so nach Hause fuhr, wusste ich, dass ich etwas ausprobieren wollte, was ich immer schon irgendwie witzig fand: Ich wollte nicht nur darüber reden, ich wollte es sogar streamen. Ich hab schon oft selbst Let’s Plays oder Streams geschaut. Entweder, weil ich den Streamer und das Spiel einfach mochte oder weil ich das Spiel selbst nicht spielen konnte (PC zu alt, Spiel zu gruselig, Tipps abstauben, etc.). Ich habe mich also kurzerhand schlau gemacht, was ich dazu alles brauche und, schwuppdiwupp, hatte ich einen Kanal eingerichtet.
Und heute?
Nach über zwei Jahren streame ich immer noch und es macht wirklich Spaß! Ich habe viele Menschen kennengelernt, die ich zwar noch nicht unbedingt persönlich getroffen habe, aber mit denen ich viele lustige Abende verbracht habe. Mit vielen spiele ich inzwischen zusammen, einige sind zu Freunden geworden und wir besuchen uns gegenseitig. Einige warten regelrecht darauf, dass mal wieder „Streamtag“ ist und freuen sich, meine Stimme zu hören. Und eines weiß ich inzwischen ganz genau, Streamen ist alles mögliche, aber für meine Community und mich ganz bestimmt nicht sinnlos.
Kefas Welt ist wieder da.
Hallo zusammen.
Es ist tatsächlich so weit, Kefas Welt erhebt sich wieder aus den staubigen Untiefen des Internets und erhält eine Überarbeitung und – so hoffe ich – endlich wieder einen Sinn. So ist zumindest der Plan.
Nachdem mir damals Fatzebook das Bloggen ein wenig vermiest hat, weil es dort einfach gefühlt viel einfacher und schneller war, mal eben einen Beitrag zu veröffentlichen und man sich dort auch viel mehr auf Bilder konzentrierte, schlief der Blog nach und nach ein. Dabei habe ich gerne geblogt. Und auch die Leser waren ganz andere.
Es hat sich nun viel getan und die Idee wuchs, den Blog wiederzubeleben. Also fummel ich mich erstmal wieder in WordPress rein und werde nach und nach berichten, wie es mir ergangen ist. Nicht zuletzt soll Kefas Welt außerdem ein Konzept erhalten, in der Hoffnung, dass mir nie die Schreibanlässe ausgehen werden und ihr Spaß beim Lesen habt.