„Mir fällt die Decke auf den Kopf“

Ich bin ja nun seit 2017 mehr oder weniger oft krank zuhause gewesen, einige Zeit davon langzeiterkrankt. Ganz häufig gibt es dann Menschen, die das gar nicht nachvollziehen können, dass einem nicht die Decke auf den Kopf fällt, wenn man den ganzen Tag nur zuhause ist und „nichts“ macht. Es fällt nicht Betroffenen ja eh schwer, nachzuvollziehen, wie es jemandem mit Depressionen geht und wieso es eigentlich schwer sein kann, das Bett zu verlassen, sich anzuziehen oder sich die Zähne zu putzen. Eine der schwersten Übungen von Betroffenen hingegen ist es, zu akzeptieren, dass es eben im Falle einer depressiven Episode eine großartige Leistung ist, aufzustehen, sich anzuziehen und das Haus überhaupt zu verlassen.

Wir müssen bereit sein, uns von dem Leben zu lösen, das wir geplant haben, um das Leben führen zu können, das uns erwartet.
(Joseph Campbell)

Seit ungefähr einem Jahr habe ich nun die bittere Wahrheit akzeptiert, dass ich nicht mehr in der Lage bin, meinem erlernten Beruf nachzugehen und trotz Bedenken und Ängsten diesbezüglich ist ein so großer Brocken von mir abgefallen, dass ich in den letzten Monaten so aktiv war wie lange nicht.
Klar, es gibt immer noch regelmäßig Tage, an denen ich kaum was auf die Reihe bekomme, aber sie sind seltener und vor allem bringen sie mich nicht mehr so aus der Fassung.

Und gestern wurde mich bewusst, dass ich ein längst vergessenes Gefühl verspürt habe: mir fällt die Decke auf den Kopf! Nach unfassbar starken Wechseljahrsbeschwerden (gut, dass einem das niemand so detailliert vorher sagt…) und einem nicht unerheblichen Blutverlust war ich über eine Woche lang ziemlich außer Gefecht gesetzt. Keine Hundespaziergänge mehr möglich, Kreislauf out of order, nicht mal zocken war noch drin. Dank entsprechender Medikation regelt sich langsam alles wieder ein, aber ich bin noch schlapp und blass.

Aber ein völlig neues Gefühl machte sich breit. Ich wollte raus! Nicht nur auf die Terrasse, nein, am liebsten unter Leute… Ich war richtig neidisch, dass ich nicht mit den Hunden mit in den Park konnte.
Vorgestern habe ich mir also die Hunde geschnappt und bin immerhin bis zur Straßenecke geschlichen. Ich habe einen Kaffee mit einer Nachbarin getrunken, die Hunde haben ihren Garten erkundet und wir haben in der Sonne gesessen und geschnackt. Gestern wollte ich dann unbedingt mit in den Park, habe mich dort von Bank zu Bank gehangelt und die Sonne und das Vogelgezwitscher aufgesogen.

Und als ich da so mit Fenris saß und mir ein „Können wir noch ein bisschen sitzen bleiben?“ rausrutschte, wurde uns beiden bewusst:
Wie cool, mir fällt zuhause die Decke auf den Kopf! Was heißt das denn eigentlich?
Ich habe doch tatsächlich Bock, wieder aktiv zu sein. Ich möchte was unternehmen, ich möchte unter Leute. Ich habe Pläne und ich ärgere mich darüber, wenn ich sie nicht angehen kann. Dieses Gefühl hab ich so lange nicht mehr gespürt und habe es nicht mal bewusst gemerkt oder vermisst. Ich hatte einfach vergessen, wie sich das anfühlt. Und dann wurde uns bewusst, dass das ein unfassbar gutes Zeichen ist und mir zeigt, dass mein Weg, den ich jetzt gehe, der richtige ist.

Ich glaube zwar nicht, dass ich für den Rest meines Lebens von depressiven Episoden verschont bleiben werde, aber ich sehe, da ist noch Luft nach oben. Und wenn ich auf mich achte und auf meinen Körper höre, dann ist da auch noch Motivation, Freude, Kreativität, Spaß, Freunde, Lernen, Entdecken und was sonst noch alles in den letzten Jahren fehlte, was wiederkehren kann!!!

Diese Erkenntnis hat mich so erfüllt, dass ich sie unbedingt mit euch teilen wollte. Ich freue mich so sehr, dass mir (endlich wieder) die Decke auf den Kopf fällt!

Man lernt nie aus

Da sitz ich nun und warte darauf, dass ich das offizielle Schreiben zur Versetzung in die Frühpension bekomme. Ich hätte es mir nie träumen lassen, dass ich mit Mitte 40 schon nicht mehr arbeitsfähig/dienstfähig bin. Es ist nicht ganz leicht zu akzeptieren und die letzten Monate hatte ich damit durchaus zu kämpfen. Trotz aller Ängste und Befürchtungen, wie es nun weitergehen soll, hat sich allerdings die Erkenntnis, dass ich nicht mehr in meinem Beruf arbeiten kann, wie ein Befreiungsschlag angefühlt. Irgendwann kam auch in meinem Hirn nach 7 Jahren Depressionen an, was meine Ärzte schon seit einiger Zeit immer mal wieder angesprochen haben.

Sind Sie sicher, dass Sie noch in Ihren Beruf zurück können?

Aus meiner Unsicherheit, ob ich es nicht doch noch schaffen könnte, müsste oder sollte ist eine Sicherheit geworden. Die Arbeitsbedingungen sind momentan und auf absehbare Zeit unverändert gesundheitsschädigend. Nach diversen Wiedereingliederungsplänen und Absprachen bzgl. geregelten Arbeitszeiten und einem verlässlichen Schulalltag stellte ich einfach immer wieder nur fest: Man kann sich auf nichts verlassen, man betreibt Schadensbegrenzung wo es geht und legt sich eine dicke Haut oder Ignoranz für alles zu, was eben nicht geht. Man investiert viel Kraft darin, sich selbst arbeitsfähig zu halten, damit man weitestgehend funktioniert und seinen Job zumindest oberflächlich betrachtet einigermaßen erledigen kann.

Ich glaube, wenn absehbar wäre, dass sich die Situation demnächst wieder verbessert, würde ich sogar noch mal einen Versuch wagen, ganz in der Hoffnung, dass ich es irgendwann wieder vom Zahnfleisch runterschaffe. Aber ich denke eben nicht, dass sich etwas bessert, ich befürchte sogar eher noch, dass sich die Lage an den Schulen zuspitzen wird. Ich sehe nicht, dass ich mich bis zum regulären Ruhestand in einem akzeptablen Gesundheitszustand da durchwurschteln kann, geschweige denn will ich das. Glücklicherweise sehen das meine betreuenden Ärzte allesamt genauso und somit ergab auch das Gespräch mit der Amtsärztin ein entsprechendes Gutachten.

Doch da sitz ich nun mit meiner Zeit. Die letzten Monate (seit Januar 2024) wartete ich erstmal, dass nach meinem Antrag auf erneute Überprüfung der Dienstfähigkeit die entsprechenden Dinge in die Wege geleitet werden. Es brauchte ganze 6 Monate, bis ich eine Reaktion von behördlicher Seite bekam. Insgesamt also inzwischen 11 Monate der Unsicherheit, was nun genau passieren würde und was das finanziell eigentlich bedeutet. Aber trotz dieser Unsicherheit war ich mir (endlich) klar, DAS ist der Weg.

Seitdem war ich nicht mehr „krank“. Ich setze das deshalb in Anführungszeichen, weil ich damit Erkältung und Co. meine. Depressive Phasen, in denen es mir schlecht geht, sind immer noch meine regelmäßigen Begleiter, allerdings kann ich sie viel besser und vor allem schneller bewältigen. Außerdem war ich gut abgelenkt und beschäftigt durch die Umzüge meiner Eltern in meine Nähe und die damit verbundenen Haushaltsauflösungen. Das hat mir vor allem gezeigt, dass ich doch noch in einer gewissen Form belastbar bin und aktiv sein kann.

Was machst Du jetzt den ganzen Tag bloß?

Ich kann mich auf meine Gesundheit und wieder auf meine Weiterbildung konzentrieren. Denn ich habe nicht vor, jetzt die Füße hochzulegen, das wäre fatal.
Ich strukturiere und reflektiere meine Tage, bin dabei achtsam, meditiere, lege mich auf meine Shakti Matte, gehe in die Sauna, genieße die Zeit mit den Tieren und pass auf mich auf.
Außerdem mache ich ein Fernstudium zur Kinder- und Jugendbuchautorin, bin Zuchtrichter-Anwärterin bei der ERU Canis Gemeinschaft und gehe ehrenamtlich mit den Hunden in Senioreneinrichtungen zu Besuch.

Und ich schreibe endlich wieder regelmäßig, hoffentlich dann auch öfter hier im Blog.