Was andere von mir denken, geht mich nichts an!

Das ist so ein einfacher Satz und es ist super schwer, ihn so richtig klar zu kriegen und ihn dann auch „umzusetzen“.

Sind wir nicht alle so geprägt, dass es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die sich einfach gehören? Möchte man nicht schon als Kind, also von Anfang an, gefallen? Man freut sich über jedes Lob, man gefällt gerne. Positive Verstärkung kennt man aus der Schule und auch aus der Hundeschule bzw. Tierpädagogik. Zeige ein gewünschtes Verhalten und ich belohne dich. In gewisser Weise bewerte ich damit das positive oder gewünschte Verhalten und signalisiere dir, dass du etwas wert bist. Keine guten Noten? Sorry, dann gibt es auch nichts. Nichts von Wert jedenfalls. Vielleicht einen mitleidigen Blick oder Nachhilfestunden.

Diese Prägung kann einem ganz schön das Genick brechen. Dann nämlich, wenn wir anfangen zu denken, dass wir eigentlich gar nichts mehr wert sind, wenn wir nicht Hervorragendes leisten. Als ich in meiner Therapie gefragt wurde, ob ich denken würde, dass alle Menschen gleich sind bzw. wann ein Mensch eigentlich was wert ist, da habe ich mich über diese Fragen gewundert und schon fast reflexhaft geantwortet, dass NATÜRLICH alle gleich sind. Was auch sonst?!

Leider kam ich aus der Nummer nicht so einfach raus und es wurde etwas weiter gebohrt und tiefer gegraben. Ich musste mir eingestehen, dass ich tief in meinem Inneren nicht daran glaubte. Ich weiß noch, dass ich in dem Moment, als mir das bewusst wurde, losgeheult hab. Und auch, als mir mein Verstand sagte, dass mein Wert nicht davon abhängt, was ich tue oder lasse, so brauchte ich doch noch eine weitere Therapie und viele Übungen und Gespräche, um das auch wirklich zu verstehen und zu glauben. Mein Wert ist unabhängig von dem was ich tue.

Wieso fiel es mir so schwer, diesen Gedanken zu verinnerlichen?! Ich denke, das größte Problem ist, dass mir wichtig war/ist, was andere denken. Ich schreibe „war/ist“, weil ich es immer noch nicht ganz ablegen kann. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich das Gefühl habe, ich müsste mich so oder so verhalten, es geht mir dabei aber nicht gut. Ich habe gelernt, dass man da „eben durch muss, das ist ja schließlich kein Beinbruch und man kann sich ja bitteschön auch einfach mal zusammenreißen“. Kennt ihr das? Aber warum eigentlich soll ich meine eigenen Bedürfnisse hintenan stellen, wenn sie mir ganz klar signalisieren, dass es zu weit geht?

Das Problem mit der Depression ist, dass man seine eigenen Bedürfnisse so weit nach hinten schiebt, dass man irgendwann gar nicht mehr weiß, dass man welche hat. Man muss erstmal mühsam wieder lernen zu bemerken, was man fühlt und was man gerne möchte. Denn eigentlich will man ja nichts mehr, außer vielleicht noch, dass alles ein Ende hat. Umso schwieriger ist es dann, diesen Bedürfnissen wieder Gehör zu verschaffen und, entgegen allen Erwartungen und Vorstellungen Anderer zu handeln.

Immer wenn ich vor solchen Problemstellungen stand, fragte mich meine Therapeutin: „Was wäre denn das Schlimmste daran, wenn Sie jetzt so handeln?“ Was wäre das Schlimmste? Immer wieder stellte sie diese Frage. Und zwar nach jeder Antwort, die ich gegeben hab. Und siehe da, am Ende landete ich immer wieder bei meinem Problem: der Andere denkt was Schlechtes über mich. Und dann? Was wäre das Schlimmste daran? Ja, was ist denn dann eigentlich, wenn derjenige was über mich denkt? Was ändert das eigentlich? Wendet der sich ab von mir? Wie schlimm ist das denn? Was hat es für Konsequenzen?! Möchte man mit so einer Person engen Kontakt haben? Ist es eigentlich nicht eher sein Problem, wenn er das nicht versteht oder negativ bewertet? Wenn es doch nach eigener Auffassung das Beste für mich ist? Warum glaube ich ihm mehr als mir selbst? Oder noch schlimmer: womöglich denkt er gar nicht so, wie ich es ihm unterjubel, ich rede mir das nur ein…

Seitdem versuche ich immer zu entscheiden, was für mich gut ist und danach zu handeln. Ich versuche, auf meine Gefühle und Bedürfnisse zu hören und nach MEINEN Werten zu handeln, nicht nach denen von jemand anderem. Das kann natürlich manchmal ganz schön unbequem sein und man muss erstmal lernen, ehrlich zu sein und das auch nach außen hin offen zu kommunizieren. „Nein, ich komme nicht zu deiner Babyparty, weil ich dieses amerikanische Gehampel unerträglich finde“ ist beispielsweise keine sehr diplomatische Rückmeldung zu einer solchen Einladung. Aber auch das kann man lernen und da kommt direkt ein Buchtipp zum Abschluss:

Am Arsch vorbei geht auch ein Weg

Alexandra Reinwarth

3 Gedanken zu „Was andere von mir denken, geht mich nichts an!

  1. Hi Kefa,
    ich wusste schon, warum ich gerade „zufällig“ mal deine Blogs aufgerufen habe.
    Du bringst es auf den Punkt, mal wieder. Respekt, dass du das teilst und ja.
    Und doch – wer schafft das schon immer, so ehrlich und bei sich selbst zu bleiben. Natürlich freue ich mich, wenn mich jemand mag, lobt, mir zugetan ist.
    Der Kernsatz: „mein Wert ist unabhängig von dem, was ich tue“ – ich hab hier das Problem mit dem Wort „Wert“. Was ist das, der Wert eines Menschen? In welchen Einheiten soll man diesen Wert messen?
    Ich kann mit meinen Maßstäben messen, aber auf andere Menschen übertragen funktioniert das halt nur in meinem Kontext.
    Ich stelle fest, dass ich nie in einer Hundeschule war und immer großen Wert darauf gelegt habe, meine Hunde nicht übermäßig zu konditionieren, letztlich aus Respekt vor deren Persönlichkeit und Eigenarten.
    Wie stehe ich zu dieser These „ich bin unabhängig davon, wie andere mich beurteilen“? Ja, es ist mir meistens tatsächlich ziemlich egal, meine Prägung war aber zu meinem Glück auch eher : „sei deines Glückes Schmied“.
    Der Haken: es ist mir nicht immer egal, wenn Menschen, die ich mag, durch mein Verhalten verletzt werden oder enttäuscht sind. Und ja, ich mache bis zu einem gewissen Punkt Kompromisse, aber die mache ich aus dem Gefühl heraus, dass ich es gerne und aus freiem Willen tue, damit das gemeinsame besser funktioniert.
    Depression ist natürlich die denkbar schlechteste Ausgangsposition für selbstbewusste Auftreten und jeder noch so kleine Schritt in diese Richtung darf ganz sicher gefeiert werden.

  2. i feel you💙sehr!wer hätte gedacht,wenn wir wieder beginnen auf unsere innere stimme zu hören, unseren blick wieder für unsere bedürfnisse schärfen,dass es dann einfacher wird diese auch nach außen zu vertreten?klarheit im inneren bringt klarheit nach außen mit sich…

  3. Hallo Kefa, danke für die wieder mal völlig zutreffenden Erkenntnisse! Ich habe die Buchempfehlung dankbar aufgenommen und sie in der Bestellung eines Hörbuches umgesetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert