Nicht alles, was du denkst, ist wahr. Das ist auch eine Lektion, die ich gelernt habe und immer noch immer wieder aufs Neue lerne. Wie oft hat man eine bestimmte Vorstellung von einem Sachverhalt, von Reaktionen von Anderen oder von Beweggründen Anderer. Und wie oft liegt man falsch?!
Du darfst nicht alles glauben, was du denkst
Kurt Krömer (Buchtipp)
Um sich das bewusst zu machen, kann man ein ganz einfaches Gedankenspiel machen. Das schöne Beispiel „Der Mann/Freund/Lebensabschnittspartner kommt nach Hause und bringt Blumen mit“ kann bei unterschiedlichen Leuten ganz unterschiedliche Gedanken hervorrufen. Wenn du mitmachen möchtest, überlege dir JETZT, BEVOR du weiter liest, was du dir dabei denkst. Formuliere eben kurz gedanklich aus, was du denken würdest, warum er das macht. Und, damit auch andere Leser:innen was davon haben, schreib es sehr gerne nachher auch in die Kommentare, was du dir gedacht hast.
Im weiteren Beitrag spreche ich von dem Beispiel „Mann bringt Blumen mit, Frau reagiert.“ Das Ganze funktioniert natürlich ganz genauso für zwei Frauen oder zwei Männer in einer Partnerschaft, der Einfachheit halber schreibe ich aber immer nur von der Konstellation, die für mich passend ist.
Was könnte das also bedeuten?!
- Er möchte mir eine Freude machen
- Er hat was angestellt
- Er will sich entschuldigen
- Er will was von mir
- Er hat sie sich selbst mitgebracht
- Sie sind für jemand anderen
- …
Fallen euch noch andere Dinge ein?
Woran liegt das also, dass man sich so unterschiedliche Dinge dabei denken kann? Die Tatsache alleine, der Mann bringt Blumen mit, ist einfach nur das, was es ist: eine wertfreie Beschreibung der Situation. Wir bringen durch unsere persönlichen Wertvorstellungen und Erfahrungen die Bewertung hinzu. Und je nachdem, wie wir sie bewerten, wird die Situation plötzlich evtl. positiv oder negativ. Das kann dann, wenn die Bewertungen nicht deckungsgleich sind, zu äußerst schwierigen Situationen führen: Der Mann hat sich selber Blumen mitgebracht, die Frau denkt, er hat was angestellt und Misstrauen und Eifersucht werden größer.
Um Missverständnissen vorzubeugen macht es also Sinn, ggf. mal nach den Beweggründen zu fragen, also einfach drüber zu sprechen. Interessanterweise würde das Beispiel „die Frau bringt Blumen mit, der Mann reagiert“ eine ganz andere Verteilung der verschiedenen Bewertungen ergeben, einfach weil unsere Rollenvorstellungen entsprechend geprägt sind. Die meisten würden wahrscheinlich denken, die Frau bringt sich natürlich selbst Blumen mit, die wenigsten würden denken, sie müsste sich entschuldigen oder will dem Mann eine Freude machen.
Und zu guter Letzt, denn warum soll ich alleine darunter leiden: Mein Mann bringt mir keine Blumen mit und findet es auch nicht schön, wenn ich mir Blumen für die Wohnung kaufe. Denn er findet es belastend, wenn er den Blumen beim Sterben zugucken muss. Und genau das ist es, was man tut. Man gibt Geld aus, um Blumen dann beim Sterben zuzugucken. Als er mir das eröffnete, war ich richtig sauer, dass er mir den Blumenkauf so „vermieste“. Aber wenn man genau drüber nachdenkt, ist das einfach eine Beschreibung der Situation. Und jedes Mal, wenn ich mir jetzt Blumen kaufen möchte, wäge ich ab, ob ich das wirklich will oder ob ich mir doch lieber eine Pflanze kaufe, die bei mir weiterleben kann. Ich kaufe oder pflücke viel weniger Sträuße und kümmere mich besser um meine Zimmerpflanzen.
Zuerst mal – danke Kefa. Du bringst die Sachen immer so wunderbar auf den Punkt.
In meinem Fall wäre es ja : Frau bringt Blumen mit, und da muss ich nicht lange überlegen, sie bringt sie einfach mit, weil sie Blumen mag und dachte, da fehlen welche. Ich könnte evt. überlegen, ob sie dabei gedacht hat: „er hätte auch mal welche mitbringen können, er sieht doch, dass da Blumen fehlen“ – aber das schenke ich mir doch lieber.
Der zweite Punkt hat mich geschockt. Soviel „Nüchternheit“ tut weh. Alleine die Formulierung „Blumen beim sterben zusehen“ finde ich unangemessen. Blumen sterben nicht, sie verwelken. Das tun sie immer und überall und auch in der Natur. Das ist normal und so vorgesehen. Wenn wir Blumen pflücken oder abschneiden, geht es vielleicht etwas schneller, aber die Natur ist großzügig und es gibt reichlich Blumen.
Außerdem – wenn man Blumen kauft, die schon abgeschnitten sind, kann man sie davor bewahren, achtlos weggeworfen zu werden. Das würde nämlich passieren, wenn keiner sie kauft.
Wenn man den Gedanken des Mannes konsequent weiter denkt …, nein. Nicht hier, nicht heute.
Ja, mir hat das auch im ersten Moment weh getan. Aber ich finde es schon nach einigem drüber Nachdenken passend. Klar verwelken die Blüten und auch Blätter mit der Zeit an der Pflanze, je nachdem schneller oder langsamer. Dadurch pflanzt sich die Blume fort, der Samen kommt wieder in die Erde.
Nicht so bei den Schnittblumen.
„(…) die Natur ist großzügig und es gibt reichlich Blumen.“ Die Natur ist schon viel zu lange zu großzügig zu uns und wir beuten sie immer weiter aus. Die Quittung bekommen wir ja langsam aber sicher zu spüren.Die Blumen, die es zu kaufen gibt, wurden ja nicht in einem heilen Ökosystem mit glücklichen Bienen gepflückt. Die wurden extra dafür gezüchtet.
Und so lange es Leute gibt, die sie kaufen, gibt es Leute, die sie züchten. Das ist wie mit den Vermehrerhunden. Da sagt auch keiner, kauft doch bitte die Hunde, denn schließlich sind sie schon da. Da sagt man: bitte bietet diesen Leuten keinen Markt!!!
Und ja, wenn man einen schönen Garten hat mit vielen blühenden Blumen, dann kann man sich daraus einen wunderbaren Strauß pflücken und dadurch etwas davon in die Wohnung holen. Und wenn genügend Blüten stehen bleiben für die eh schon immer weniger werdenden Insekten, finde ich das auch legitim. Nichtsdestotrotz hätten die Blüten draußen länger überlebt und mehr Bienen ernährt. Ist einfach so. Traurig, aber wahr.
Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang auch mal darüber nachdenken, dass manche Blumen, wenn man sie pflückt, als, Pflanzen immer kräftiger werdem bzw. mehr neue Blüten hervorbringen, als wenn man sie nicht „bepflückt“!! Ichdenke dabei z. B. an die Cosmea, Da haben die Bienen viel mehr davon, wenn man diese Blumen tüchtig „bepflückt“, weil dadurch mehr Blüten im Garten entstehen!
DAS stimmt natürlich, aber ich bezweifle, dass der einzelne Blumenkäufer sich darüber Gedanken macht, zumal das für die gewerblich gezüchteten Pflanzen ja auch irrelevant ist.
Für den Blumenpflücker im eigenen Garten kann ich mir das schon eher vorstellen.
Ich finde, bei all diesen „Sünden“ sollte man nie absolut urteilen. Ohne einen lebenden Baum zu fällen, gibt es auch kein Bauholz. Es ist sicher gut, ein Bewusstsein dafür zu haben, wo die Dinge herkommen und sparsam mit allen natürlichen Ressourcen umzugehen. Grade wenn man sich z.B. Blumen aus dem Garten pflückt, betrachtet man den Strauß, das Beet und den Garten anders, finde ich zumindest – und vielleicht pflanzt man ja dann sogar noch zusätzliche Stauden oder Sträucher.
„nicht alles glauben, was ich denke“ – das hab ich natürlich schon öfter gehört.
Ich denke gerne und viel, aber ich weiß, dass ich eben unterschiedliche Szenarien zu dem gleichen Sachverhalt „denken“ kann. Kefas Beispiel mit den Blumen ist da sehr passend. Wie entscheide ich mich also am Ende, welche Variante ich „glaube“ – oder frage ich lieber gleich: „warum hast du Blumen mitgebracht?“
Ich sehe da aber eigentlich schon das nächste Problem: kann ich alles glauben, was ich höre?
Mir ging es ja auch nicht darum zu urteilen, sondern eben – genau – das Bewusstsein dafür zu schaffen. Zum Einen dafür, dass es verschiedene Bewertungen der Situation geben kann und zum Anderen dafür, woher die Dinge kommen und ob es das wirklich wert ist, sie zu kaufen und damit den Status Quo zu unterstützen und aufrecht zu erhalten.
Zum zweiten Kommentar: Du kannst NIE wissen, warum der andere sich so oder so verhält, es sei denn, du fragst ihn bzw. in dem Fall sie. Vielleicht ist es dir wichtig, die Beweggründe zu erfahren, vielleicht auch nicht und die freust sich einfach über die Blumen. Selbst wenn du nachfragst, muss das, was du dann hörst nicht der Wahrheit entsprechen, weil vielleicht das Gegenüber nicht aufrichtig antwortet. Selbst da kannst du dir natürlich nicht hundertprozentig sicher sein. Und da kommt dann das Vertrauen ins Spiel. Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit, etc. Und das alles entwickelt sich bzw. hat sich entwickelt durch die persönlichen Erfahrungen miteinander…
Genau – gut formuliert. Ich kann nie WISSEN – aber ich möchte so gerne. Wie schön wäre es, wenn ich „beweisen“ könnte, dass ich richtig liege, dass ich die Wahrheit kenne, dass ich „sicher“ sein kann. Vertrauen ist gut, wenn man sich traut, jemandem zu vertrauen.
Der Wunsch nach Sicherheit kann zerstörerische Zweifel wecken, die man natürlich nicht ausräumen kann, weil es diese absolute Sicherheit eben nicht gibt.
Es ist weise, zu akzeptieren, dass man nicht weiß und nie wissen kann.
Bleibt die Frage: wozu denke ich soviele Gedanken?
Vor allem bekommt man womöglich das Gefühl, man weiß gar nicht mehr, was man denken / glauben kann. Was ist denn wahr. Wahr ist (in dem Fall), dass der Partner Blumen mit gebracht hat. Mehr nicht. Mehr weiß man nicht. Man kann nachfragen. Aber man kann die Tatsache auch einfach wertfrei so hinnehmen wie sie ist. Es ist nicht nötig, sich viele Gedanken zu machen. Erfreu dich einfach an den Blumen. Fertig. Das trägt zu viel mehr Gelassenheit bei.